PHARMAko
GENETIK

Mit personalisierter Medizin zu einer besseren Medikamentenwirkung und höheren Arzneimittelsicherheit


Ein Grund für Pharmakogenetik: 30% weniger unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Eine im Februar 2023 in der renommierten Fachpublikation «The Lancet» erschienene und durch die EU finanzierte grosse Studie zur Wirksamkeit der Pharmakogenetik in der klinischen Anwendung1 konnte aufzeigen, dass durch eine pharmakogenetische Testung eines breiten Genpanels vor Beginn einer Medikamententherapie das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen um 30 % gesenkt werden kann.

Medikamente wirken nicht bei allen Patientinnen und Patienten gleich gut. Bei einigen Personen wirken sie nicht oder nur unzureichend, bei anderen kommt es zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen unterschiedlichen Schweregrades. Sowohl unerwünschte Arzneimittelwirkungen als auch das Ausbleiben der gewünschten Wirkung führen zu einem verlängerten Behandlungsverlauf mit längerer Leidenszeit. Sie können unter anderem zu einem schweren Krankheitsverlauf, einer verminderten Compliance, häufigeren Arztbesuchen und Krankenhauseinweisungen führen.

Die Medikamentenwirkung wird durch unterschiedliche Einflussfaktoren bestimmt. Das können unter anderem das Alter oder Geschlecht einer Person, ihre Leber- und Nierenfunktion, andere Medikamente, aber auch ihre Lebensgewohnheiten wie z. B. Rauchen sein. Auch die genetische Ausstattung einer Patientin/eines Patienten kann einen entscheidenden Einfluss auf die Medikamentenwirkung oder das Auftreten einer unerwünschten Arzneimittelwirkung haben.


Was ist Pharmakogenetik?

Die Pharmakogenetik befasst sich mit dem Einfluss der Genetik auf die Medikamentenwirkung.

Medikamente werden im Menschen mit Hilfe komplexer Enzymsysteme verstoffwechselt. Es findet dabei in der Regel eine Umwandlung der Medikamente statt, wodurch sie unwirksam und leichter aus dem Körper ausgeschieden werden. Einige Medikamente werden erst im Körper durch Enzyme in die aktive Wirksubstanz umgewandelt und können so erst wirksam werden. Solche Medikamente werden als Prodrug bezeichnet. Varianten (sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen) in den kodierenden Genen dieser Enzyme können zu einer verminderten oder erhöhten Enzym-Aktivität führen und beeinflussen somit wiederum die Verstoffwechslung von Medikamenten und damit deren Konzentration und Wirkung.

Die vier Typen der Enzymaktivität

Dabei werden in der Regel vier Typen der Enzymaktivität (Phänotyp) unterschieden:

  • NM – normaler Stoffwechseltyp (normal Metabolizer). Hier weisen beide Gene keine Genvarianten (im Vergleich zum Referenzgenom) auf und es liegt eine «normale» Enzymaktivität vor.
  • IM – intermediärer Stoffwechseltyp (intermediate Metabolizer). Hier liegt bei einem der Gene eine Genvariante vor, welche zu einer verminderten Aktivität des kodierten Enzyms führt. Es liegt eine insgesamt «verlangsamte» Enzymaktivität vor.
  • PM – stark verlangsamter Stoffwechseltyp (poor Metabolizer). Hier liegen bei beiden Genen Genvarianten (oder ein kompletter Genverlust) vor, die zu einer stark verminderten oder keiner Enzymaktivität führen.
  • UM – ultraschneller Stoffwechseltyp (ultrarapid Metabolizer). Hier liegen in der Regel Genduplikationen vor, d.h. mehr Genkopien als die normalerweise üblichen zwei Gene, welche zu einer starken erhöhten Enzymaktivität führen.

Neben Enzymen haben auch Transportproteine, Rezeptoren und andere Zielstrukturen von Medikamenten Einfluss auf deren Wirkung. Auch hier können genetische Varianten zu einer unterschiedlichen Wirkung von Medikamenten führen.


Für welche Medikamente kann Pharmakogenetik hilfreich sein?

Diese umfassende Liste zeigt, welche Medikamente über welche Gene beeinflusst werden. Die Spezialistinnen und Spezialisten der medizinischen Genetik der Dr. Risch-Gruppe und der INTLAB AG aktualisieren das Panel und diese Liste fortlaufend. Mit dem heute durchgeführten Pharmakogenetik-Panel können so bei neuen Erkenntnissen in der Zukunft weitere Medikamente beurteilt werden, z. B. neu zugelassene Medikamente.

Beispiele für häufig genutzte Medikamente, bei denen die Pharmakogenetik eine wichtige Rolle für die Medikamentenwirkung und das Risiko für das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind:

Der Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel, ein Medikament zur Blutverdünnung, wird durch das Enzym CYP2C19 in die aktive Wirksubstanz umgewandelt. Bei einer verminderten oder nicht vorhandenen Enzymaktivität kann eine eventuell nur unzureichende oder keine aktive Wirksubstanz gebildet werden und die notwendige Medikamentenwirkung tritt nicht ein. Dies kann einen schweren Krankheitsverlauf zur Folge haben.

Die Antidepressiva der Klassen SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer; z. B. Sertralin, Paroxetin) und TCA (Trizyklische Antidepressiva; z. B. Amitriptylin) werden durch die Enzyme CYP2D6 und/oder CYP2C19 verstoffwechselt. Eine verminderte Enzymaktivität kann zu einem verzögerten Abbau des Medikamentes führen, was wiederum bei einer empfohlenen Standarddosierung eine erhöhte Konzentration und damit das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen zur Folge haben kann. Bei einer erhöhten Enzymaktivität dagegen kann bei einer Standarddosierung durch einen schnelleren Abbau des Medikamentes kein ausreichender Wirkspiegel erreicht werden und die Medikamentenwirkung bleibt aus.

Dieses Medikament wird zur Rezidivprophylaxe eines Mammakarzinoms verschrieben. Tamoxifen ist ein Prodrug und wird im Körper durch das Enzym CYP2D6 in den wichtigsten aktiven Metaboliten Endoxifen umgewandelt. Bei Personen mit einem stark verlangsamten Stoffwechseltyp von CYP2D6 kann es dadurch zu einer reduzierten Wirksamkeit von Tamoxifen kommen.

Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) ist das geschwindigkeitsbestimmende Enzym beim Abbau des Chemotherapeutikums 5-Fluorouracil (5-FU). Verschiedene Varianten im DPYD-Gen führen zu einer DPD-Defizienz, wodurch der Abbau von 5-FU eingeschränkt ist. Personen mit pathogenen Varianten im DPYD-Gen tragen ein erhöhtes Risiko, schwere Toxizitäten unter 5-FU-Therapie zu entwickeln.

Das Schmerzmedikament Tramadol, ein Morphinderivat, wird durch das Enzym CYP2D6 in die aktive Wirksubstanz umgewandelt. Bei einem Mangel an diesem Enzym kommt es zu keiner ausreichenden schmerzstillenden Wirkung. Wenn die Person jedoch eine ultraschnelle Metabolisiererin (UM) ist, besteht selbst bei häufig verschriebenen Dosen das Risiko für die Entwicklung einer Opioid-Toxizität mit schwerwiegenden, zum Teil lebensbedrohlichen, Symptomen.

Angebot

Die Labors von Dr. Risch bieten, in Kooperation mit der INTLAB AG, einen pharmakogenetischen Test an, welcher die klinisch relevanten und evidenten pharmakogenetischen Marker abdeckt. Aus dem Ergebnis der Genanalyse wird ein pharmakogenetisches Profil erstellt und es werden Empfehlungen für alle betroffenen Gen-Medikamenten-Kombinationen gegeben.

Die Auswahl der Genvarianten richtet sich nach ihrer klinischen Relevanz und wissenschaftlichen Evidenz, welche vorgegeben bzw. kuratiert und bewertet werden durch die offizielle Fachinformation für Medikamente sowie durch Guidelines nationaler und internationaler Fachorganisationen wie dem CPIC (Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium), der Dutch Pharmacogenetics Working Group.

Das angebotene pharmakogenetische Panel erlaubt es, möglichst viele relevante pharmakogenetische Medikamenten-Gen-Kombinationen abzudecken. Dies ermöglicht eine breite Sicht auf die individuelle genetische Gegebenheit einer Patientin/eines Patienten, Medikamente zu verstoffwechseln. Dadurch kann bei einer aktuellen und/oder zukünftigen Therapie die Medikamentenauswahl und -dosierung zielgerichtet und personalisiert ausgewählt werden. Das Behandlungsergebnis kann entscheidend verbessert werden. Dadurch können zum Teil schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen vermieden werden.

Auf Anfrage ist auch eine Analyse einzelner Gene bzw. Marker möglich.

Die Genotypisierung wird in der Abteilung für Humangenetik/Pharmakogenetik in Bern-Liebefeld durchgeführt. Die Auswertung der Resultate, die Erstellung des pharmakogenetischen Profils (PGx-Profil) und eines ausführlichen Berichtes mit Informationen zur Medikamententherapie erfolgt durch die INTLAB AG und deren pharmakogenetisches Expertensystem SONOGEN XP. Es werden nur jene Gene analysiert, welche für die Medikamentenstoffwechsel von Bedeutung sind. Für dieses pharmakogenetische Panel wird kein sogenanntes «Whole Genome Sequencing» durchgeführt.


Kostenübernahme und Verordnung

Die Analyse einzelner Gene, welche für die Wirkung eines Medikamentes oder das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen relevant sind, wird seit dem 01.01.2017 durch die Krankenkasse vergütet (siehe Analysenliste 2019). Hierunter fallen die folgenden Varianten bzw. Gen-Medikamenten-Kombinationen: HLA-B*5701 (Abacavir), HLA-A*3101 und HLA-B*1502 (Carbamazepin), TPMT (6-Mercaptopurin, Azathioprin), DPYD (5-fluoruracil, Capecitabin) und UGT1A1 (Irinotecan). Die Kosten für das ganze Panel unterscheiden sich relativ gering in Vergleich zu der Analyse einzelner Gene.

Die Aufträge für diese pharmakogenetischen Marker können vor einer Verordnung, bei Verdacht auf Therapieversagen oder bei Auftreten einer unerwünschten Arzneimittelwirkung, unabhängig vom Facharzttitel, von jeder ärztlichen Fachperson oder jeder Apothekerin/jedem Apotheker erteilt werden.

Eine Analyse weiterer pharmakogenetischer Marker kann ebenfalls von der Krankenkasse vergütet werden. Voraussetzung hierfür ist aber eine Verschreibung durch eine Ärztin oder einen Arzt mit dem eidgenössischen Weiterbildungstitel in klinischer Pharmakologie und Toxikologie. Auf Anfrage vermittelt das Labor Dr. Risch gerne konsiliarisch.

Das gesamte pharmakogenetische Panel kann auch als Selbstzahlerleistung von jeder ärztlichen Fachperson oder Apothekerin/jedem Apotheker in Auftrag gegeben werden. Die schriftliche Einverständniserklärung (auf der Rückseite des Auftragsformulars) nach durchgeführter genetischer Beratung ist in jedem Falle erwünscht.

Pharmakogenetisches Panel

Welche Gene bzw. Gen-Medikamenten-Kombinationen sind im pharmakogenetischen Panel enthalten und können untersucht werden? Eine Liste der aktuellen Medikamente mit relevanten pharmakogenetischen Markern finden Sie unter dem Downloadlink.


Literaturreferenzen:

1 A 12-gene pharmacogenetic panel to prevent adverse drug reactions: an open-label, multicentre, controlled, cluster-randomised crossover implementation study; Swen J. et al. The Lancet 2023